Das war die Lesebühne 2024
05. November 2024
Mit vier weiteren Veranstaltungen ging die Lesebühne am vergangenen Donnerstag in die zweite Runde. Neben der Buchpremiere „Der Zwischenfall – Texte aus dem Pfaffenhofener Flaschlturm“ und dem zehnten Gereon-Rath-Roman von Volker Kutscher konnten sich Literaturfreunde außerdem auf eine außergewöhnliche Lesung zum Mitmachen von Rolf-Bernhard Essig freuen. Beim Abschluss der diesjährigen Lesebühne glänzte Leo Reisinger mit „Bavarese“.
„Der Zwischenfall“ – Ein Porträt Pfaffenhofens Am Donnerstagabend wurde die Buchpremiere von „Der Zwischenfall – Texte aus dem Pfaffenhofener Flaschlturm“ im Festsaal gebührend gefeiert. Zehn Originalbeiträge der Lutz-Stipendiatinnen und -Stipendiaten aus den Jahren 2014 bis 2023 in Anlehnung an den Roman des Pfaffenhofener Schriftstellers Joseph Maria Lutz sind erstmals in diesem Sammelband veröffentlicht. Zusammen bilden die Geschichten ein Porträt Pfaffenhofens aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Das Buch ist ab sofort im Buchhandel sowie im Kultur- und Tourismusbüro im Haus der Begegnung für 14,95 Euro erhältlich.
Nach der Begrüßung durch Bürgermeister Thomas Herker erzählte Kulturreferent Reinhard Haiplik zu Beginn etwas über den Schriftsteller Joseph Maria Lutz, seinen Roman „Der Zwischenfall“ sowie über das Pfaffenhofen seiner Kindheit und die Entwicklung der Kreisstadt. Er betonte die Wichtigkeit des Lutz-Stipendiums: „Pfaffenhofen kann Poesie in sich tragen, kann inspirieren, dazu einladen, sich literarisch mit ihr auseinanderzusetzen. Die Texte dieses Bandes sind Beleg dafür: Da blicken junge Dichterinnen und Dichter von außen auf unsere Stadt und öffnen so auch uns neue Perspektiven, die wir so nicht vermutet hätten.“
Steffen Kopetzky, Jury-Leitung des Lutz-Stipendiums und Jury-Mitglied Simeon Stadler gingen unter anderem auf die Entstehung des Sammelbandes ein. Anschließend trug die Schauspielerin und Synchronsprecherin Eva Bauriedl lebendig und eindrücklich Auszüge aus den Texten von Anahit Bagradjans (2022), Laura Anton (2019), Johann Reißer (2016), Marie-Alice Schultz (2017) und Marko Dinić (2015) vor. Für die musikalische Umrahmung sorgte die Musikformation Hart Heffner Feiten mit alltagspoetischen Stücken in bairischer Sprache.
Volker Kutscher begeistert mit „Rath“Bestsellerautor Volker Kutscher kommt gern nach Pfaffenhofen, am Freitagabend war er bereits zum dritten Mal Gast der Lesebühne. Vor 20 Jahren hatte der Autor den ersten Band der Romanreihe rund um Gereon Rath – der Vorlage für die internationale Serie „Babylon Berlin“ – veröffentlicht. Nun hatte er den zehnten und letzten Band im Gepäck. „Rath“ ist erst vor wenigen Tagen erschienen und landete sofort auf Platz 2 der Spiegel-Bestsellerliste. Insgesamt drei Auszüge liest Kutscher vor: ein Abendessen zwischen Charlotte „Charly“ Rath und ihrem früheren Polizei-Kollegen Andreas Lange, eine Szene mit dem bei Konrad Adenauer in Bonn untergetauchten Gereon Rath beim Monopoly-Spiel (einst mit Berliner Straßennamen) sowie die versuchte Flucht von Raths Ziehsohn und dessen jüdischem Freund nach Polen.
Im Gespräch mit Moderator Steffen Kopetzky geht es um das Jahr 1938 in Deutschland, um den Moment des Zivilisationsbruchs und den Weg in den Weltkrieg. Volker Kutscher erzählt von seiner umfassenden Recherche, vom Doppelsinn des Romantitels und davon, wie sich im Schreibprozess die fiktiven und historischen Figuren entwickeln. Auf die Frage, wieso die Buchreihe mit der Reichspogromnacht endet, antwortet Kutscher, dass der Krieg nicht die Geschichte sei, die er hätte erzählen wollen, er habe zeigen wollen, wie es überhaupt so weit kommen konnte.
Fans der Romanreihe können sich laut Kutscher noch auf einen Sammelband mit einigen Kurzgeschichten um Ermittler Gereon Rath freuen – eine Fortsetzung der Reihe wird es aber nicht geben.
Außergewöhnliche Lesung zum MitmachenÜber 90 Minuten lang waren die Lachmuskeln der Gäste von Dr. Rolf-Bernhard Essig am Samstagabend im Festsaal genauso gefragt wie die Gehirnwindungen. Die Fülle an Fakten, Anekdoten und Gedanken, die Essig dem Publikum in witzigen Geschichten, Projektionen und anhand von Requisiten näherbrachte, war schier unendlich.
Der Sprachexperte aus Bamberg berichtete von historischen Flüchen und Verfluchungen bis hin zum heutigen Cyber-Troll, verlas die Lieblings-Schimpfworte von Kolleginnen und sang mit dem Publikum „Schnaderhüpfl“ und einen fränkischen Fluch-Kanon. Zwischen Lachen und Schrecken, kam auch so manches „Um Gottes Willen“ aus dem Publikum, wenn Essig plötzlich den ein oder anderen Phallus (zur Fluchabwehr) an die Wand warf. Alles aber verflochten mit Erklärungen zu den psychologisch und gesellschaftlich wichtigen Funktionen des Fluchens und Schimpfens.
Abschluss der Lesebühne mit Leo ReisingerTrotz der kurzfristigen krankheitsbedingten Programmänderung wurde der bekannte Schauspieler, Musiker und Ex-Wiesn-Kellner, Leo Reisinger, bereits sehnsüchtig im rappelvollen Festsaal erwartet.
Charmant, verschmitzt und ganz authentisch nahm Debüt-Autor Reisinger das Publikum mit auf eine Reise durch sein Leben: angefangen bei seinem Job als Robinson-Animateur, seiner kurzen Karriere als Schreiner, die er seiner Klavierleidenschaft wegen schnell aufgab, über seine Schauspielkunst (das Glockenspiel am Marienplatz tanzen und die Hebamme Toni spielen) bis hin zu seiner Arbeit auf der Wiesn und dem Großmarkt. Als hätte er sie im echten Leben kennengelernt, stellte Reisinger die Hauptfiguren seines Romans „Bavarese“ vor: Lene, alleinerziehende Mutter und Großmarkthändlerin, „Ex-Knacki“ Sepko, der beim Großmarkt-Patriarch Brunner die Gemüse-Kisten schleppt und Pfeiffer, österreichischer Gastronom, der unbedingt auch Wirt auf dem Oktoberfest werden will, koste es, was es wolle. In „Bavarese“ gibt es bewusst keinen Antagonisten, so Reisinger, denn „das System ist der Antagonist“. In seinem Bestseller geht es um Liebe und Gewalt und die politischen Machenschaften der Hinterzimmer, die Reisinger so detailliert beschreibt, dass manch eine Politikerin sich fragte, woher er das alles wisse. Alles ausgedacht, aber anscheinend sehr gut. Zweimal setzte sich Reisinger, der auch noch in einer Band spielt, zwischen den Lesestellen ans E-Piano und verschaffte seinem Auftritt selbst einen eigenen Sound. Auf dem Büchertisch der Buchhandlung Osiander, die auch dieses Jahr wieder die Lesebühne förderte, fand sich nach wenigen Minuten kein einziges Exemplar „Bavarese“ mehr: Diejenigen, die eins ergattert hatten, ließen es sich von Leo Reisinger signieren und baten um ein Selfie mit dem sympathischen Autor.
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